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Ist das Theologie?

Theologie hat für sich den Anspruch übervernünftig zu sein, sich also dem Unwissbaren direkt auszusetzen. Manche nennen das das Mysterium oder auch das Geheimnis und setzen das mit Gott, der Trinität, Jesus Sohnschaft gleich… Gleichzeitig wird dieses Mysterium des Unwissbaren biblisch-systematisch erarbeitet und argumentativ gesichert. Hier greift Theologe gerne auf eine lange exegetische Tradition zurück und die Moderne noch zusätzlich auf eine ausgefeilte Bibelwissenschaft. 

Moderne Bibelwissenschaft zusammen mit darauf aufbauender moderner Exegese mündet jetzt jedoch nicht in einer Eindeutigkeit moderner biblischer Theologie, sondern sieht sich nun einigen Strömungen ausgesetzt, die alle genau dieses Grundschema für sich beanspruchen: Evangelikale Theologie die sich für die Komplexität der Moderne „rüstet“, post-evangelikale Theologie à la Zimmer oder Dietz, die sich einen Teil Mystik behalten wollen, liberale akademische Theologie die den Zeitgeist berücksichtigt und und und… An sich alles recht fortschrittlich. 

Bis auf die evangelikalen Positionen wird die Philosophie auch gerne zu rate gezogen, wenn sich moralische Dilemmata nicht so leicht auflösen lassen oder Widersprüche auftauchen. Oder, biblische Probleme werden in die Unwissbarkeit des Geheimnisses „abgeschoben“. 

Das ist jetzt weniger fortschrittlich, dass kennen wir auch aus der Scholastik… 

Fortschritt für mein Dafürhalten, darf auf einen breites Straßennetz an Wegen zurückblicken, muss sich aber bewusst sein, dass Fortschritt auch bedeutet: Wir kennen das was vor uns liegt noch nicht. 

Denn, seien wir ehrlich, viele Antworten auf theologische Fragen kennen wir schon und versuchen diese biblisch zu begründen… Das ist auch der Vorwurf anderer Wissenschaften, die Theologie sei nicht ergebnisoffen und somit keine Wissenschaft. Je nach denkerischer Ausrichtung (evangelikal, liberal, miregal) kennen wir die meisten Antworten schon, seiein es Abtreibung, Homosexualität, Sex vor nach/während/nach der Ehe usw.

Will Theologie wirklich fortschrittlich sein, so muss sie lernen ergebnissoffen nach Antworten zu suchen statt diese sich biblisch zu (re)konstruieren.

Ein Beispiel: Ist Homosexualität erlaubt. 

Antworten: Nein (evangelikal/konservativ – in der Bibel steht… und somit sagt Gott dass…), Ja (liberal/progressiv – in Bezug auf Stammeskultur im vorderen Orient um 500 v.Chr….).

Das sind eindeutige Antworten, die wir vorher schon kannten und nur noch biblisch untermauern.

Ergebnisoffenheit erzeuge ich nun erstmal durch eine Begriffsdefinition: was ist Homosexualität, suche Parallele Fragestellungen in anderen Wissenschaften (Biologie/Evolutionstheorie -> genetische Bedingtheiten, Anthropologie (Bedürfnis des Menschen nach…), Soziologie (Beziehungsstrukturen) und und und…). Jetzt stellt man schnell fest, dass die Ergebnisoffenheit mit biblischer Auslegung kollidiert (denn Moses wie Paulus finden Homosexualität doof) und zwar beruht die Kollision einzig darauf, dass ein historisches Dokument als Grundlage genommen wird, weil deren Inhalte als Autorität gelten (Gottes Wort usw.). Die Autorität der Bibel beruht jedoch auf der Annahme, dass deren Autoren vom heiligen Geist beseelt, und daher göttlich inspiriert und dadurch unfehlbar in ihren Aussagen waren und sind (Widerspruch hin oder her). Jetzt der Clou, die Autoren selbst gaben sich diese Autorität einfach so, indem sie genau das behaupteten, dass ihre Texte von hl. Geist ihnen eingegeben wurde. Theologie nimmt das weiterhin sehr ernst und katapultiert sich dadurch selbst ins Abseits.

Die Bibel enthält Widersprüche, die durch die moderne Wissenschaft nur weiter ausgebaut werden. Z.B. sagt der Schöpfungsbericht, alles ist von Gott geschaffen. Die Wissenschaft sagt, Homosexualität ist vollkommen natürlich (hier wären Gott und Wissenschaft als d’accord), doch Moses/Paulus schreibt – als vom heiligen Geist beseelten -, nope, ist immer noch doof. 

Theologie könnte aber auch sagen, – und es gibt in der kath. Theologie entsprechende Ansätze – jepp, was so in der Bibel steht, ist mit modernem Wissen nicht in Einklang zu bringen und somit nichtig und darf getrost überlesen oder als historisch angesehen werden. Punkt.

Was heißt das jetzt für meine These, Theologie muss ergebnisoffen sein um progressiv zu sein? Theologie geht vom Menschen aus, seiner Beziehung zu anderen Menschen und seiner Beziehung zu Gott. Ist also auch Anthropologie die zum Absoluten hin denkt: Was bedeutet es Mensch zu sein im Hinblick auf das Mysterium des Unwissbaren? Sie reflektiert also Beziehungen zueinander (oder zu Technik, Kunst etc.), die getragen sind von einem „Urvertrauen“ oder einer grundlegenden Sinnhaftigkeit des Daseins. Und das sind nur meine Grundannahmen. 

Ausgehend von der genannten Grundannahme macht die Frage: Ist Homosexualität nun gut oder schlecht, keinen Sinn mehr. Vielmehr wird die Frage nach gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die auf Liebe (oder ggf. sexuellem Verlangen) beruhen interessant, wenn man der Beziehung einer grundlegenden Sinnhaftigkeit zugrunde legt (hier Liebe oder sexuelle Lust). Was macht das moralisch mit einem, was sind ethische Konsequenzen daraus, und und und. 

Darauf gibt die Bibel keine Antwort und ich habe darauf auch noch keine Antworten.

Gert Scobel schrieb einmal, Theologie müsse eine Lehre der Möglichkeiten sein. Ich finde das passt sehr gut, zu dem was progressive Theologie sein kann: Eine Lehre dessen, was uns als Menschen möglich ist und möglich macht.

Foto: https://www.pexels.com/@pixabay